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Über das Erspüren des Klangs
Liebe Klavierfreundinnen und -freunde,
jeder, der ein Klavier oder einen Flügel anspielt, erspürt sofort, dass er mit dem Anschlagen der Tasten etwas Emotionales auslöst, bei sich selbst und jedem der im Raum ist. Da geht es erst einmal gar nicht um das großartige Spiel selbst, sondern vielmehr darum, den Klang auf sich wirken zu lassen.
Oftmals werden die Tasten in immer dergleichen Stärke angeschlagen, wenn Instrumente ausprobiert werden, aber eigentlich geht es doch bei der heutigen Perfektion der Mechaniken auch darum, alle dynamischen Bereiche zu versuchen, vom Pianissimo bis zum Fortissimo. Dann erkennt man erst die genauen und detaillierten Klangbereiche eines Instruments. Und genau diese benötigen wir als Klavierspieler, denn sie werden gerade in der so beliebten klassischen und romantischen Klavierliteratur verzeichnet.
Und dabei erfährt man auch weitaus mehr über das emotionale Erlebnis am Instrument, denn man hört plötzlich Obertöne, die man bei einem „normalen“ Mezzofortespiel nicht wahrnehmen kann.
Und man sollte die Tasten nach dem Anschlagen ruhig auch halten, also einen Akkord anschlagen und ihn komplett ausklingen lassen. Damit hört man das Ausschwingverhalten, kann dem Klang und seiner Entwicklung im Instrument nachhorchen – und da erfährt man dann noch einmal stärker den emotionalen Charakter eines Klangs.
Diese emotionale Erfahrung bei unterschiedlichen Instrumenten wird jedem Klavierneuling erkennen lassen, ob das Instrument klanglich zu einem „spricht“ oder nicht.
Nur auf diese Weise kann man auswählen, welches Instrumente das „richtige“ für jemanden ist. Denn irgendwann will man nicht mehr darüber nachdenken, ob der Klang einen einfängt oder man ihn noch gut findet: Man will ihn täglich im Spiel genießen, ohne darüber nachzudenken.
Wenn dann nach mehreren Jahren der Klang sich aufgrund von eingespielten Hammerfilzen oder anderen Details im Instrument verändert, weiß man dennoch, dass die Anlage des Klangs im Instrument vorhanden ist. Und dann muss man mit dem Klaviertechniker darüber sprechen, ihm erklären, wie der Klang einmal war oder wie er sein soll. Denn ein Klaviertechniker ist in der Lage durch Intonierung den Klang zu verändern, ihn wieder „in Stand zu setzen“, wie man es bei einem Auto nennen würde.
Dennoch gilt beim Ausprobieren eines Instruments: Lassen Sie sich Zeit, lassen sie die Klänge auf sich und am besten einem vertrauten Bekannten, der ein wenig weiter vom Instrument entfernt steht, wirken, lassen Sie die Klänge ausschwingen, lassen sie sie auch einmal ganz kurz erklingen.
Auf diese Weise können sie das emotionale Verhältnis zum Instrument und seinen klanglichen Möglichkeiten aufbauen. Und eigentlich geht es vor allem darum! Wenn ein Konzertflügel von professionellen Pianisten ausgewählt wird, machen sie es eigentlich kaum anders, nur dass sie andere Werke spielen und mehr Erfahrung mitbringen. Aber letztendlich geht es auch bei ihnen darum, sich emotional dem Klang hinzugeben und sich gegebenenfalls von ihm verzaubern zu lassen.
Carsten Dürer
- Chefredakteur PIANONews -